L’Italia è il principale partner commerciale della Libia, ma non è proprio vero il contrario

«Italien ist für Libyen der wichtigste Handelspartner»

Romano Prodi, Italiens Ex-Ministerpräsident, über die Beziehung zwischen Rom und Tripolis

Interview von Andrea Hohendahl mit Romano Prodi veröffentlicht in NZZ Online am 10. März 2011

Romano Prodi erklärt im Gespräch mit NZZ Online, warum Ghadhafi für sein Land zwar wichtig, aber nicht unentbehrlich ist. Die negativen Schlagzeilen über Italien kümmern ihn wenig.

Herr Prodi, woran mag es Ihrer Meinung nach liegen, dass das Bild von Italien im Ausland mehrheitlich von internen Skandalen und Querelen in der Politik geprägt ist?

Ich dachte, wir wollten über internationale Politik sprechen?

Auch.

Ich will dazu folgendes sagen: Wir sind eine gesunde Nation. Das Bild, welches diesbezüglich von Italien gezeichnet wird, ist unvollständig. Die italienische Wirtschaft spielt eine wichtige Rolle im globalisierten Markt.

Ich möchte hierzu ein Beispiel nennen: Innerhalb der grossen europäischen Wirtschaftsnationen kann ausser Deutschland lediglich Italien eine solide Handelsbilanz im Industriesektor vorweisen. Obschon wir mit etlichen Problemen zu kämpfen haben, bin ich der Ansicht, dass Italien ein modernes Land ist und auch als solches wahrgenommen werden sollte.

Dennoch ist man als Aussenstehender versucht zu glauben, die von persönlichen Fehltritten geprägte Innenpolitik habe einen negativen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung Ihres Landes.

Selbstverständlich. Die Wahrnehmung einer Nation hat zwingend einen Einfluss auf die Wirtschaftsleistung des Landes; persönlich wünsche ich mir jedoch, dass dieser so gering wie möglich ist. Nehmen wir zum Beispiel ein Produkt, welches in Deutschland fabriziert worden ist und vergleichen es mit einem identischen Stück aus Italien.

Sie werden feststellen, dass zwischen dem deutschen und dem italienischen Produkt eine Preisdifferenz zwischen zehn und 20 Prozent besteht. Dies gilt natürlich nicht für die Mode – hier ist «Made in Italy» Trumpf. Ich will aber keineswegs leugnen, dass das Bild, welches Italien nach aussen hin abgibt, für die Wirtschaft belastend sein kann. Ich hege die Hoffnung und wünsche mir, dass diese Wahrnehmung dereinst verschwindet, und dabei das Bild von einer tüchtigen und seriösen Nation überwiegt. Italien hat einen langen und steinigen Weg gehen müssen, um sein politisches System dem einer modernen Gesellschaft anzugleichen.

Weshalb gelingt es nicht, eine schlagkräftige Opposition zu bilden, die das Mitte-rechts-Bündnis herausfordern kann?

Dies lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur schwer beantworten. Das Spiel ist zwar im Gang, weist jedoch noch in keine Richtung. Meiner Meinung nach geht es nicht darum, abstrakte Mannschaften zu bilden, so, wie es beispielsweise die Franzosen tun, um ihren Präsidenten bereits heute herauszufordern. Dennoch hoffe ich, dass es uns dereinst gelingen wird, eine schlagkräftige Opposition auf die Beine zu stellen – wenn es dann soweit ist.

Italien war im Jahr 2010 mit rund 116 Prozent, gemessen am Bruttoinlandprodukt, nach Griechenland die am höchsten verschuldete Volkswirtschaft in der Euro-Zone.

Richtig.

Es verwundert wenig, dass die Rating-Agenturen diese Entwicklung mit Argusaugen beobachten. Eine Abwertung der Kreditwürdigkeit erscheint denkbar. Trotzdem ist eine Beanspruchung des EU-Rettungsschirms zum gegenwärtigen Zeitpunkt wenig aktuell. Weshalb?

Der Rettungsschirm ist deshalb nicht aktuell, weil sich Italien in keiner Weise mit der Situation in Griechenland vergleichen lässt. Vergessen Sie nicht, dass unser Defizit zum Zeitpunkt des Euro-Beitritts um einiges höher war als heute. Die Lage ist unter Kontrolle. Ich sehe keinen Anlass, die Lage heute anders zu beurteilen als damals, wo wir den europäischen Partnern unsere Bücher vorgelegt hatten. Während meiner Zeit als Ministerpräsident Italiens ist es mir gelungen, das Verhältnis zwischen dem Bruttoinlandprodukt und der Verschuldung nachhaltig zu verbessern.

Zwar hat sich die Neuverschuldung in der letzten Zeit leicht erhöht, aber weitaus geringer, als dies bei anderen Ländern innerhalb der Euro-Zone der Fall war. Dabei sollte die Tatsache berücksichtigt werden, dass Italien nach wie vor zu den prosperierenden Wirtschaftsnationen Europas zählt. Nur Deutschland weist ein noch geringeres Budgetdefizit aus; Frankreich und Grossbritannien stehen zum Beispiel wesentlich schlechter da. Italiens Start war zwar schwierig, doch seit Bestehen des Euro hat sich die Lage nicht wesentlich verschlimmert.

Mit welchen Massnahmen soll Italien Ihrer Meinung nach die Verschuldung auf das Maastrichter Niveau von 60 Prozent reduzieren?

Während meiner Zeit als Regierungschef – sie dauerte bekanntlich nur kurz – kam für mich ausschliesslich ein Weg in Frage, ich nannte ihn die Politik der Ameise: Jahr für Jahr die Neuverschuldung sukzessive reduzieren. Die grosse Krise hat fraglos tiefe Spuren hinterlassen. Das Übel lässt sich allerdings nur durch eisernen Sparwillen beseitigen. Andererseits, wie oft wurden in der Vergangenheit alarmierende Prognosen über unser Land erhoben, die sich im Nachhinein jeweils als wenig realistisch entpuppt hatten.

Welche Folgen könnte ein Sturz von Ghadhafi für die Italienische Wirtschaft haben?

Italien ist ein für Libyen der wichtigste Handelspartner, soviel steht fest. Gleichzeitig gilt es festzuhalten, dass der libysche Aussenhandel gemessen am italienischen Handelsvolumen eine geringe Dimension aufweist. Die Rolle von Tripolis ist hierbei limitiert. Natürlich hängt Italien gewissermassen von Libyen ab, vor allem im Bereich des Erdöls. Für die Versorgung mit Gas spielen Algerien und Russland hingegen eine wichtigere Rolle als Tripolis. Was die libysche Investitionen in Italien angeht, sehe ich keine grossen Probleme auf Italien zukommen.

Die Kluft, zwischen dem wirtschaftlich prosperierenden Norden und dem vergleichbaren schwachen Süden Ihres Landes, ist chronisch. Offensiven, diesen Missstand zu beseitigen, gab es zahlreiche. Sie blieben alle ohne Erfolg. Weshalb?

Das ist das ewige Problem Italiens.

Erklären Sie es uns.

Es wurden etliche Anläufe genommen und auch politische Reformen aller Art in die Wege geleitet. Das Gefälle ist geblieben. Wenn wir die ökonomische Struktur unseres Landes etwas näher anschauen, fällt auf, dass der Norden flächenmässig betrachtet eine Produktivität aufweist, die in etwa jener von Deutschland entspricht. Die Leistungsfähigkeit im Süden fällt hingegen marginal aus. Das noch grössere Problem des Südens ist hingegen das der Legalität. Dieses ist historisch gewachsen. Dem italienischen Staat ist es bis heute nicht gelungen, die breit abgestützten illegalen Strukturen aufzubrechen. Die Illegalität ist der grösste Feind für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in der Region. So ist das nun mal.

Vor rund drei Jahren haben Sie verlauten lassen, Sie werden sich vollständig aus der Politik verabschieden; sind die Tage mit Prodi in der italienischen Politik tatsächlich gezählt?

Nach dem Misstrauensvotum im Parlament habe ich mich entschieden, dass es an der Zeit sei, anderen Personen das Lenken des Staates zu überlassen. Heute widme ich mich anderen Aufgaben. Ich bin Hochschuldozent in den USA und in China. Ferner stehe ich einer kleinen aber feinen Stiftung für Peace Keeping in Afrika vor. So sieht heute mein Leben aus. Ich habe seither keine Minute mehr der italienischen Politik gewidmet. Und ich habe es auch in Zukunft nicht vor. Dennoch glaube ich, dass ich meinem Land dank dem dichten Beziehungsnetz, welches ich während meiner fünf Jahren als Ministerpräsident Italiens und als Vorsitzender der Europäischen Kommission aufbauen konnte, von Nutzen sein kann.

Viele italienische Bürger wünschen sich Romano Prodi in der Rolle des Staatspräsidenten. Was antworten Sie ihnen?

Wir verfügen über einen herausragenden Staatspräsidenten. Sein Name lautet Giorgio Napolitano. Er repräsentiert unser Land aufs Beste.

Zur Person

hoh. Romano Prodi war zwischen 1996 und 1998 sowie von 2006 bis 2008 italienischer Ministerpräsident. Zwischen seinen beiden Amtszeiten als Regierungschef präsidierte der 1939 in der Nähe von Modena geborene Wirtschaftswissenschafter die EU-Kommission. Prodi verlor am 24. Januar 2008 das Vertrauensvotum im italienischen Senat, worauf er zurücktrat. Heute lehrt der Jurist und Volkswirt vorwiegend an der Brown University in Providence (USA) sowie an der China Europe International Business School in Schanghai.

Das Telefongespräch mit Romano Prodi fand in italienischer Sprache statt.

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Dati dell'intervento

Data
Categoria
marzo 10, 2011
Interviste